Die perfekte Welle: 13. Hangflug- und Wellentreffen
Im Clubheim der Segelfluggruppe Bensheim trafen sich gut 100 SegelfliegerInnen aus dem gesamten Südwesten wieder zum Thema Hang- und Wellenflug.
Peter Franke (SFZ Ludwigshafen-Dannstadt) und Andreas Maurer (DJK-Landau) hatten abwechslungsreiche Vorträge organisiert. Ob noch Anfänger oder schon Könner, für jeden/jede war etwas dabei: wertvolle Tipps aus der Praxis, spannende Erfahrungsberichte, interessante Informationen, aber auch kritischer Austausch.
Gerade die Rhein-Neckar-Region ist eines der ergiebigsten Hang- und Wellenfluggebiete außerhalb der Alpen. Das Phänomen „Welle“ ist eine meteorologische Erscheinung, in den Alpen auch als Föhn bekannt, ermöglicht es Segelfliegern, selbst ohne Motorkraft in große Höhen aufzusteigen.
Ganz legal mit den ‚Großen‘ fliegen…
„Ganz legal hoch oben mit den ‚Großen‘ zu fliegen, das hat schon was“, begann Andreas Maurer seinen Einführungsvortrag. In den jeweiligen Wellenflugsektoren könne man sogar ohne Transponder oder Flugplan fliegen, so sie denn freigegeben sind. Details und Regeln, wie Aktivierung etc. sind in den NFL 2022-1-2635 und NFL 2023-1-2892 hinterlegt.
Habe man den Mut, eine Flugplan aufzugeben („Das ist einfacher, als man denkt und auch für Segelflieger machbar…“), und zusätzlich einen Transponder an Bord, seien bei guter Planung auch (Strecken-) Flüge in größeren Höhen heute umsetzbar, vorausgesetzt die Verkehrslage lasse entsprechende Freigaben zu. Als Beispiel präsentierte Maurer seinen Flug längs über den gesamten Schwarzwald und zurück, auch außerhalb der Wellenflugsektoren. Vorteilhaft sei dabei ein guter Funker als Co, der keine Hemmungen habe, mit den Lotsen den notwendigen ständigen Kontakt zu halten. Die Fluglotsen seien mittlerweile deutlich aufgeschlossener: „Dann kann es passieren, dass ein A320 nach Anweisung eine große Biege um einen Segelflieger herum fliegt. Vor Jahren noch undenkbar, aber für einen Segelflieger ein tolles Gefühl.“
Wellenflugsektor Haardt
Klaus Leitner (SFZ Ludwigshafen-Dannstadt) präsentierte die bisherigen Erfahrungen des seit 2022 nach 10jähriger Planung eingeführten Wellenflugsektors Haardt. Auch für die DFS sei der Sektor von Vorteil, müssten die Fluglotsen im Luftraum C doch alle (!) Flugzeuge staffeln und immer (!) Kollisionswarnungen aussprechen, sollte der Abstand unterschritten werden. Bei bis zu 30 teils dicht gedrängten Segelflugzeugen in einer Welle ein umfangreiches Unterfangen, ohne Transponder unmöglich.
Die bisherigen positiven Rückmeldungen gestatten, dass die DFS die situationsabhängige Maximalhöhe von FL165 auf FL 195 (ca. 6.000 m), erweiterte. „Da ist es wichtig, dass wir Segelflieger uns professionell zeigen: gute Vorbereitung, rechtzeitiges (!) Umschalten auf QNH 1013. Professionalität zeigt sich schon beim Anruf: Korrekt ist ‚Langen Information‘, ‚Langen-Info‘ gibt es nicht. Disziplinierter Funkverkehr sollte im Sinne aller selbstverständlich sein“, erläutert Leitner. Die offiziellen Bord-Bord-Frequenzen („Quassel-Funk“) seien nur bis maximal FL 100 zugelassen, die Platzfrequenzen hätten in größeren Höhen eine zu große Reichweite. Man bemühe sich aktuell um eine Lösung dieses Problems.
Wellenfliegen in den Vogesen
Aus Colmar/Frankreich reiste Christopher Sturm an, um in exzellenten Deutsch die rechtlichen Voraussetzungen für Wellenfliegen in den Vogesen zu erläutern.
Ein eigenes, umfangreiches „Protokoll“ regele das Fliegen in dem seit 2020 „probeweise eingerichteten“ Wellensektor „LF-R-127B und 127B“ bei Colmar und ermögliche damit auch Segelflugzeuge ohne Transponder und ohne direktem Funkkontakt zur ATC (Flugsicherung) das Wellenfliegen. Sturm berichtet: „In Frankreich fliegen wir fast alle mit Transponder. Deshalb aktivieren wir diesen Sektor fast gar nicht.“ Eine Voraussetzung für die Nutzung ist u.a. der Start auf einen der ausgesuchten sechs elsässischen Flugplätze. Direkteinflug in den Sektor aus Deutschland sei daher nicht möglich, Flüge nach Frankreich allgemein dagegen schon (Flugplanpflicht).
Für die französischen Funk-Sprechgruppen verwies er auf das Handbuch „Phraseologie“, herausgegeben von der Direction générale de l’Aviation cevile (dgac), in dem u.a. auch die spezifischen Segelflug-Sprechgruppen französisch – englisch aufgeführt sind (kostenlos über Internet einsehbar)
Erstens kommt es anders…
Der Unterschied zwischen Planung, wie es hätte sein sollen und der Realität, wie es dann tatsächlich ist/war, kann trotz aller gewissenhafter Vorbereitung überraschen. Sehr anschaulich und ehrlich präsentierte Jens Kammerer (LSV Bruchsal), der ungeachtet seiner Jugend mit über 700 Flugstunden als erfahren gelten darf, den etwas anderen Verlauf seines Hangfluges mit „Aha-Effekten“. Die sich daraus entwickelnde Diskussion zeigte, wie man aus den Fehlern anderer lernen kann – eine offene Fehlerkultur vorausgesetzt. So wurde u.a. deutlich, dass Hangflug bei einer Südwindkomponente (> 240°) ab dem Melibokus nördlich bis zum Frankenstein zu einer echten Herausforderung wird, zumal hier die Außenlandemöglichkeiten minimalistisch sind bzw. ganz fehlen.
Neu für manchen war die Erkenntnis, dass ein Turbo/Motor unter Umständen genau dann seine rettende Hilfe versagen kann, wenn er nötig wäre: Sei es nach Abstieg aus großer Höhe (Tiefsttemperaturen) zum Heimfliegen oder weil Regen eingesetzt hat.
Sicheres Fliegen – Außenwirkung
Im letzten Vortrag gingen die Organisatoren Maurer und Franke auf mögliche Schwierigkeiten und Gefahrenpotentiale beim Hang- und Wellenflug ein. So führten sie Computer-Simulationflüge vor. Dank ausgeklügelter Technik war jede Position beeindruckend wirklichkeitsgetreu nachstellbar. Relativ wenige Höhenunterschiede änderten die Blickwinkel von „viele Außenlandemöglichkeiten, alles okay“ schnell in „Landefeld außer Sicht- und Reichweite, alles Mist, was jetzt???“.
Neben den meteorologischen, technischen Herausforderungen (nachlassender Hangwind, Sauerstoffversorgung,…) stellten sie kritische Fragen zur Verantwortung jedes Einzelnen, nicht nur bei der Ausübung selbst, sondern auch auf die Außenwirkung unseres Sportes. Sie appellierten insbesondere an Funktionsträger wie Fluglehrer oder Leistungsträger, sich bei der Vergabe von „Likes“ und „Herzchen“ in den sozialen Medien (inklusive Weglide) ihrer Rolle als Vorbilder bewusst zu sein. „Ist es wirklich das beste Foto, das zählt oder sollten die Umstände, unter denen das Foto entstand, stärker berücksichtigt werden?“ Sicheres Fliegen und verantwortungsvolles Handeln fördern – ein guter Vorsatz für das noch junge Jahr.
Funksprüche
- „Ich kann nichts Neues vom Hang erzählen, den gibt es ja schon ein paar Jahre…“
- „Mein Tip: Während des Fliegens einfach mal rausschauen, bestenfalls in Richtung des herannahenden Schlechtwetters und selbiges beobachten.“
- „Das war ein Wetter mit Schrödinger Effekt: Wäre ich nicht geflogen, wäre es der Tag des Jahres gewesen. Ich bin geflogen und es war nur Mist.“
- „Schließlich sorgte die Außenlandung auf dem nassen Lehmacker für eine langandauernde, ausgiebige Putzaktion am nächsten Tag. Das dann war der 24.12. Dumm gelaufen…“
- „In Top-Gun-Manier auf Burg- oder Aussichtsplattformbesucher zuzufliegen, ist auch ohne Maschinengewehr für die Betroffenen bedrohlich und daher keine gute Außenwirkung.“
- „Fluglotse: ‚Sinken sie auf nicht unter XY Fuß‘ – ‚Wird schwierig. Ich bin Segelflieger.‘ – ‚Stand by – Okay, halten sie Höhenband von XY bis ZZ Fuß‘ – Man sieht: Auch Fluglotsen sind lernfähig und man fühlt sich als Segelflieger ernstgenommen.“
- „Die Anfrage, im aktiven Wellenflugsektor Kunstflug machen zu dürfen, ist, auch wenn es für manche möglicherweise verführerisch sein sollte, wenig sinnvoll: Die Fluglotsen werden hier keine Verkehrswarnung geben können, entsprechend gibt es keine Genehmigung. Also fragt erst gar nicht danach.“
- Die „Phraseologie“ ist für unsere (französischen) Fluglotsen erstellt worden, u.a. damit sie uns Segelflieger verstehen und richtig helfen können. Das ist nämlich ihre Aufgabe und die nehmen sie ernst.“
Titelfoto: In der Welle (Benjamin Ilchmann)