Rettungsfallschirme: das Leben am seidenen Faden
Es gibt sie in verschiedenen Ausführungen: groß, klein, weich, hart, dick, dünn usw. Sie werden selbstverständlich zum Segelfliegen mitgenommen. Kaum ein Pilot möchte auf sie verzichten und keiner will sie freiwillig benutzen, es sei denn, sein Leben hängt davon ab: Rettungsfallschirme.
Judith Schwöbel ist neben Hermann Landgraf, Moritz Schmiede und Peter Simon offizielle Fallschirmpackerin im Verein der Segelfluggruppe Bensheim. Die einzelnen Packer haben eine Prüfung abgelegt, besitzen unterschiedliche Berechtigungen und müssen sich regelmäßig fortbilden.
Sorgfältig zieht Judith einen Fallschirm auf dem langen Packtisch auseinander. Nun wird sichtbar, was sich sonst in der Packhülle versteckt: Der Hilfsschirm mit der Spannfeder, der im Fall der Fälle als erstes aus der Hülle „springt“ und dann die Kappe (früher aus Seide, heute aus Kunstfaser) herauszieht. Sie ist über die langen Fangleinen mit dem Gurtzeug verbunden, welches sich der Pilot vor dem Start anzieht bzw. anlegt. Insgesamt kommt der ausgezogene Fallschirm auf imposante 10 m Länge, der sich im Notfall innerhalb weniger Sekunden ohne Knoten entfalten muss.
Daher kontrolliert ein amtlicher Prüfer jährlich (meist im Winter) das Rettungsgerät auf Herz und Nieren. Akribisch begutachtet er alle Nähte, Leinen, Materialien und Funktionalitäten. Bei kleinsten Mängeln wird der Fallschirm sofort aussortiert, keine Kompromisse bei der Sicherheit! Anschließend muss der Fallschirm wieder in seine Packhülle gepackt werden. Einfach reinstopfen wie ein Schlafsack in seine Hülle, das geht natürlich nicht. Jeder Fallschirmtyp hat sein eigenes Packsystem, welches der Fallschirmpacker kennen muss und für die er jeweils eine Berechtigung benötigt. Die vorgeschriebenen regelmäßigen Packintervalle sind unterschiedlich, meist betragen sie zwischen acht und zwölf Monaten.
Mit größter Sorgfalt wird der Stoff bzw. die Kappe in die vorgegebenen Falten gelegt, die Fangleinen exakt ausgerichtet. Dann beginnt Judith, die Leinen in einem bestimmten Muster in der Packhülle mit Gummiringen zu fixieren. Anschließend wird die Kappe hineingefaltet. Kraft und Geschick ist nötig, um nun den Hilfsschirm mit der Spannfeder in die Hülle so zu platzieren und zu fixieren, dass sie erst beim Betätigen des Auslösegriffes bzw. der Reißleine wieder herauskommt – dann aber sicher und korrekt. Ist eine Reißleine vorhanden, muss auch sie akkurat in Schlaufen in die Hülle gelegt werden. Dünne Bindfädchen fixieren die Schlaufen.
Abschließend wird die Packhülle verschlossen und mit der persönlichen Plombe des Packers verplombt.
Noch der obligatorische Papierkrieg, d.h. Dokumentation, und nach knapp einer Stunde ist der Fallschirm wieder einsatzbereit, wobei er hoffentlich nie zum Einsatz kommt.