Wellen- und Hangflugtreffen Event
Posted on / by Ulrike Pawel / in EVENT

Wellenflugtreffen – Segelfliegen an der Grenze zum Weltraum

Am vergangenen Wochenende trafen sich ca. 130 Wellen- und Hangflieger aus ganz Südwest-Deutschland wieder zum allgemeinen Austausch im Clubraum der SFG-Bensheim. Die Organisatoren Peter Franke (SFG Giulini/Ludwigshafen), Andreas Maurer (DJK Landau) und Eckhardt Schwantes (LSV Worms) hatten dazu erneut zwei externe Referenten mit interessanten Themen eingeladen.

Somit stand mehr Zeit für den persönlichen Kontakt zur Verfügung als bei den bisherigen Treffen. Das wurde von vielen Teilnehmern begrüßt und bei heißer Erbsensuppe rege genutzt.

Projekt Perlan 2

Lars Bensch aus Hamburg berichtete in seinem mit Spannung erwarteten Vortrag über das Projekt Perlan-2.

Hierbei handelt es sich um ein speziell für extreme Höhe konstruiertes Segelflugzeug, das am 02.09.2018 auf eine Rekordhöhe von 23.203 m, gestiegen und geflogen ist. Das ist bisher, abgesehen vom Überschall-Aufklärer Lockheed SR-71, noch keinem motorgetriebenen Flugzeug gelungen. Zum Vergleich: Ein A380 fliegt max. in ca. 13 km Höhe. Zunächst erklärte Bensch, selbst Flight Test Engineer bei Airbus, warum ein Segelflugzeug ausgerechnet in El-Calafate/Argentinien in die Stratosphäre aufsteigen kann: Der Polar Night Jetstream der Antarktis ermöglicht es nur hier unter bestimmten Umständen, dass die Leewellen der Troposphäre die Stratosphäre zu Wellen anregt.

Schnell wurden die technischen Schwierigkeiten in diesen Höhen deutlich: Fehlende Feuchtigkeit bedeutet keine Wolken- bzw. Lenti-Bildung und damit „unsichtbare Wellen“.

Gravierender ist jedoch die geringe Luftdichte von nur noch 2 % und die Auswirkungen auf die Aerodynamik: Während der Fahrtmesser eine Geschwindigkeit von beispielsweise 70 km/h anzeigt, bewegt sich das Flugzeug tatsächlich mit 430 km/h. „Irgendwann weiß das Flugzeug nicht mehr, ob es zu langsam oder zu schnell fliegt.“ Physikalisch ist damit Höhe für Flächenflugzeuge auf FL 900 begrenzt.

Der fehlende Luftdruck führt in ca. 18 km Höhe zum sogenannten „Amstrong-Limit“: Das Blut fängt an zu kochen, da die darin gelösten Gase wie bei einer Sprudelflasche anfangen, „herauszublubbern“. Als Gegenmaßnahme gibt es Druckanzüge: Sie werden jedoch irgendwann zu voluminös in einem engen Segelflugzeug-Cockpit. So galt es bei Perlan 2 eine Druckkabine für ein Segelflugzeug zu konstruieren. Eine Herausforderung für Material und Technik bei der deutlich wird, dass hier keine „verrückten Spinner auf Rekordjagd“ am Werk sind, sondern Hauptsponsor Airbus hier Grundlagenforschung unterstützt.

Für die Forschung während der Flüge besitzt die Perlan 2 ein Nutzlastabteil mit verschiedenen Meßgeräte für Ozon, Kohlendioxid, Methan und andere. Der Vorteil: Es können Messreihen in verschiedenen Höhen über einen längeren Zeitraum ohne die Gefahr von Verunreinigungen durch Motorenabgase erstellt werden.

Zum Abschluss seines hochkarätigen, fesselnden Vortrages erklärte er noch den Namen des Projektes: Namensgebend sei die perlmutartigen Farbe der Lenticularis Wolken gewesen.

Regionale Wellen

Peter Franke stellte die Wellenflugmöglichkeiten in der Region vor. Er erläuterte die Entstehung und die Charakteristika der West- bzw. Ostwelle. Kurz ging er auf das Thema Sauerstoff und Ausrüstung ein. Abschließen mahnte Franke die Einhaltung der Regeln, insbesondere im Wellenflugfenstern (z.B. Murgtal), und Funkdisziplin an.

Wellen- und Hangflugtreffen Peter Franke
Peter Franke (links) mit Segelflugreferent Felix Maier (SG-Bensheim)

Fliegen in Bosnien

Torsten Linstädt (Fliegergruppe Wolf Hirth) referierte über die Windsysteme des Dinarischen Gebirges und seine Flüge in Bosnien. Schon die einzelnen Namen der Winde waren ungewohnt: Ygo (Südwind), Tramontana (N), Bora (NO) Lebic (SW) und wie sie alle heißen. Mit schönen Bildern und seinen unterhaltsamen Kommentaren gewährte einen interessanten Einblick in die spektakuläre Landschaft dieser fliegerisch wenig bekannten und touristisch kaum erschlossene Region. Urlaubsgefühle stellten sich ein. Darüber hinaus seien günstige Nebenkosten und „die total nette Menschen“ unbedingt noch zu erwähnen.

Alles in allem hat sich das Wellen-und Hangflieger-Treffen in Bensheim als eine beliebte Veranstaltung etabliert, geprägt durch eine gelungene Mischung aus hochkarätigen Vorträgen und persönlichem Austausch.

Hang- Wellenflugtreffen Referent
Torsten Linstädt mit Peter Franke (SFG Giulini)

Sprüche:

„Ein Schleppflugzeug mit Kondensstreifen, das Schleppseil dick vereist – sieht man nicht aller Tage. Ok, man wird auch nicht alle Tage auf FL400 geschleppt.“

„Draußen waren es Minus 70 Grad Celsius, innen kuschelige Minus 20 Grad Celsius. Das sind Herausforderungen für Material und Technik.“

„Der Videoclip ist so kurz, weil ich ohne Handschuh filmen musste und dabei meine Hand fast abgefroren ist.“

„Ein Perlanflug geht durch alle Jahreszeiten: Beim Start gut eingepackt schwitzt man (Sommer), dann kondensiert das Wasser (Nebelbildung wie im Herbst), ganz oben angekommen gefriert alles zu Eis (Winter) und beim Abstieg tropft das Schmelzwasser (Frühling).“

„Wie viele Leute habt ihr als Bodenpersonal bei der Perlan?“ – „So etwa 15-25 Freiwillige.“ – „Braucht ihr noch einen Rückholer?“

„Ich bin Hang- und Wellenflieger aus Leidenschaft. Ich hasse diese nervige Kurverei in der Thermik!“

„Der Westbalkan: Land der unbegrenzten Merkwürdigkeiten…“

„Man sollte nur auf bewirtschafteten Feldern oder gemähten Wiesen landen. Dort sind die Minenräumkommandos schon durch….“

„Bei uns hier sind die Berge zwar um Faktor 10 kleiner, unsere üblichen Höhen entsprechend niedriger als beim Perlan-Projekt. Dafür haben wir hier viel öfters die Gelegenheit, Welle zu fliegen. Öfters, als man gemeinhin denkt.“

„Westwelle ist warm, oft feucht. Bei Ostwelle muss man sich warm anziehen.“

„Bei Ostwelle vom Odenwald in den Schwarzwald, das geht auch mit einem Clubklasseflugzeug. Man muss es aber auch wirklich wollen….“

„Anfangs waren wir eine handvoll Verrückter, die die Wellensysteme hier erkundeten. In der letzten Ostwelle waren allein rund 100 Flugzeuge unterwegs, die ihre Flüge dokumentierten. Da wird es schon mal eng.“

„Fotoflüge sind toll, die Funkerei währenddessen bringt aber jeden Controller zur Weißglut. Achtet auf die gerastete Frequenz, die ihr tatsächlich zum Quatschen eingestellt habt.“